Termine, Feste und Traditionen
Der insulare Terminkalender beginnt gleich in den ersten Stunden des Neuen Jahres mit dem traditionellen Einsatz der Feuerwehr, die irgendwo einen Dünenbrand löschen muß. Grund dafür sind meist die Wassersportler, die ihre ablaufenden Seenotraketen in den finsteren Himmel jagen. Dort segeln sie langsam an kleinen Fallschirmchen mit knallrotem Licht zur Erde zurück, wunderschön anzuschauen, wenn der ganze Ort in bengalisches Feuer getaucht ist. Wenn sie das aber flotter als für den eigentlichen Einsatzzweck vorgesehen tun, dann brennt halt das trockene Dünengras, und zwar leider schneller als einem lieb ein kann. Das ist dann der Moment, auf den die insularen Feuerwehrmänner schon warten, denn fast jedes Jahr müssen die Einsatzgruppen kurz nach Mitternacht deswegen ausrücken.
Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, zum Jahreswechsel oben auf der Kapdüne zu stehen und das Festland und Juist zu beobachten, wie an der ganzen Küste das Neue Jahr begrüßt wird.
Wenige Stunden später stürzen sich zwei, drei Duzend Schwimmer in die eiskalte Nordsee. 2009 herrschte sogar einwenig Eisgang, was die Waden der Mutigen blutig kratzte, aber das konnte die Festentschlossenen nicht wirklich abschrecken. Mittlerweile ist das traditionelle Anbaden um Punkt 12 Uhr ein eigenständiges Event geworden, der Strand und die Promenade ist schwarz vor Schaulustigen. Die DGzRS und die DLRG sorgen zusammen mit dem Inselradio SWS für einen reibungslosen Ablauf. Nur Glühwein gabs bislang dort keinen, schade eigentlich.
Ein ganz besonderes Ereignis spielt sich leider nur alle paar Jahre vorwiegend auf dem Festland ab: Wenn sich lange genug ein sonniges kaltes Hoch über Mitteleuropa festgesetzt hat und es so nachts bitterkalt wird, dann beobachten die Friesen gespannt ihre zufrierenden Kanäle und stellen sich nur eine Frage: Wann ist das Eis endlich dick genug zum schöfeln? Dann kann man nämlich stundenlang mit dem Wind von Ort zu Ort durch die Natur schlittschuhlaufen, hier und dort etwas wärmendes trinken und zum Schluß mit einer extra dafür eingerichteten Busverbindung wieder nach hause fahren, eine tolle Sache! Unsere niederländischen Nachbarn haben daraus sogar einen Wettkampf von nationaler Bedeutung gemacht, die Elf-Städte-Tour. Wochenlang wird die Eisstärke im Internet und im Fernsehen gemeldet und wenn dann der Termin endlich fest steht, können sich die Hotels an der Strecke über Vollbelegung freuen. Die ganze Provinz ist an dem Tag auf den Beinen, das Wirtschaftsleben kommt zum Stillstand und die Menschen hängen an den Fernsehappraten. Wer das Rennen gewinnt gilt bis zur nächsten Austragung als nationaler Held.
Fast jedes Dorf hat in Friesland einen als Wanne eingefassten Parkplatz, der mit Lichtmasten und Lautsprechern gerüstet ist. Im Winter wird einfach die Entwässerung verstopft und mit ein bisschen Hilfe der Feuerwehr entsteht so schon nach ein paar kalten Nächten ein prima Eisfeld zum Schlittschuhlaufen und Eishockeyspielen. Wir auf der Insel kriegen das ja leider so nicht hin (warum eigentlich nicht??), aber wenn der Mühlenteich gleich neben dem neuen Kinderspielhaus an der Marienstraße zufriert, dann darf das Inselradio SWS bis in die späten Abendstunden dort Musik für alle spielen, die das Eislaufen noch nicht verlernt haben. Leider kommt es ja recht selten vor, aber umso größer ist die Freude wenn es denn klappt.
Eine Woche vor Ostern beginnt mit den Nordrhein-Westfalen-Ferien die Vorsaison. Am Ostersamstag brennen in ganz Ostfriesland die Osterfeuer, und auf der Insel natürlich auch. Ein großer Stoß Brennbares wird z.B. am Weststrand aufgetürmt und nach Sonnenuntergang so gegen 19:30h entzündet. Bis in die frühen Morgenstunden werden so die bösen Wintergeister ausgetrieben, natürlich nicht ganz ohne hochprozentige Unterstützung...
Oster-Sonntag um 11 Uhr gehört dann der Weststrand am Piratenschiff den kleinen Gästen. Liebevoll vom Staatsbad vorbereitet bekommt jedes Kind ein gekochtes und gefärbtes Ei. Das wird dann von der Krone einer extra aufgeschobenen Düne heruntergekullert und wenn es unten ankommt verzehrt sofern die Schale angeknackst wurde. Sonst beginnt das Schauspiel von vorne. Spezielle Norderney-Variante: Der Besitzer (oder die Besitzerin) des Eis, das am weitesten kullerte, kann sich beim Mann mit dem Mikrofon einen kleinen Preis abholen. Aber auch die Erwachsenen haben am Eiertrullern am Ostersonntag ihren Spaß, kommen Sie also unbedingt mal vorbei.
Am 1. Mai werden traditionell die Maibäume aufgestellt. Am Denkmal und in der Nordhelmsiedlung errichten die Anwohner einen schön geschmückten Baum, für den auf dem Kurplatz zeichnet der Heimatverein verantwortlich, deren Mitglieder in der traditionellen Tracht das Aufstellen musikalisch begleiten. Auf dem Festland müssen in dieser Nacht diese Bäume bewacht werden, denn die ansonsten gern gesehen Mitbürger aus den Nachbardörfern machen sich natürlich einen Spaß daraus, unbewachte Bäume umzulegen und womöglich mitzunehmen - da ist es Ehrensache, den eigenen Baum rund um die Uhr im Auge zu behalten - und den der Nachbarn natürlich auch...
Pfingsten wird auf dem Kurplatz der traditionelle Pfingstbaum vom Heimatverein errichtet. Unter dem Beifall von vielen Schaulustigen und Gästen wird der riesige geschmückte Pfahl mit Hilfe der Kerls von der DGzRS in den Himmel gewuchtet, gar kein einfaches Unterfangen. Schon im 12. Jahrhundert trafen sich am Pfingsttage die Häuptlinge der friesischen Seelande in Aurich beim "Upstalsboom", um über den Landfrieden zu beraten. Im 18. Jhd. war das Aufstellen des Pfingstbaums mit der Ablieferung der Kirchenlandpacht verbunden und wurde gehörig gefeiert. Da es dabei immer wieder zu ausschweifenden Gelagen kam, verfügte die Obrigkeit einen Alkoholbann, quasi eine ostfriesische Prohibition. Aus dieser Zeit stammt die Norderneyer Sitte, den Pfingstbaum aus Protest mit leeren Flaschen zu schmücken. Nunja, von jeher waren die Insulaner immer deutlich wenns um den Umgang mit "denen da oben" ging...
Vielleicht nicht gerade ein Termin im Kalender, so doch immerhin eine sehr schöne ostfriesische Tradition ist es, einen Bontjesopp anzusetzen, wenn der Bauch schwillt. Steht Nachwuchs zu erwarten, dann werden in Ostfriesland um den 6. Monat herum Rosinen in Branntwein eingelegt. Wenn das Kind dann endlich da ist, ist die ganze Nachbarschaft zum Umtrunk eingeladen, zum Kindgucken und klönen, und dazu gibt's natürlich eine Portion dieses süffigen Getränks.
Aber manche Jungs haben es nicht so mit der "ostfriesischen Karriere": Beruf, Heirat, Kinder kriegen, Haus bauen, Apfelbaum pflanzen... Wer bis 30 noch nicht unter die Haube gebracht wurde, muß fegen, und zwar traditionell die Rathaustreppe, das gilt quasi als Aufforderung an den unbemannten Teil der Bevölkerung, endlich ihrer Pflicht nachzukommen und die Solisten unter uns Männern in den besonderen Hafen zu führen. Anläßlich des runden Geburtstags müssen wir also in Anwesenheit der äußerst belustigten Freunde fegen, und zwar solange bis uns eine "Jungfrau" mit einem Kuß von der Pflicht erlöst. Nicht selten ist der Besen untauglich (etwa eine Zahnbürste) und die Treppe mit allerlei Unmöglichem verziert: Konfetti, Kronkorken, Sand, Sägespäne - da haben wir die feixenden Freunde, die das Spektakel begleiten, ganz besonders gern. Seit einiger Zeit müssen unverheiratete Frauen Klinken putzen, davon gibt's viele und die meisten sind plötzlich gar nicht mehr so sauber: Schuh- und Zahncreme, Senf, Ketchup, auch eine vergleichsweise unfreundliche Mischung. Aber nunja, irgendwie freuen sich alle drauf...
Ein fester Termin im Kalender ist der Fackelumzug am Martini-Tag. Schon am Nachmittag laufen die kostümierten Kinder durch die Norderneyer Geschäfte und singen, dafür gibt's Süßes. Bei Einbruch der Dunkelheit ziehen sie mit ihren Laternchen (den Kippkappkögels) mit der Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr zum Denkmal Martin Luthers vor der Evangelischen Inselkirche, an dessen Geburtstag am 10. November erinnert wird. Auch dort werden die traditionellen Lieder gesungen. Abends wird dann an die Türen der Nachbarschaft geklopft:
Mit Kippkappkögels kam' wi an
elk singt so munter, as he man kann
is ja Sünner Maarten, nüms blifft to Hus,
Appels und Beeren kreegen wie tom Schmuus
Veerhunnertfieftig Johr is dat heer,
Luthers Geburtsdag de fiern wi nu sehr.
Wer nicht singt, kriegt auch nichts. Und wer nicht gibt, dem wird alsbald ein Klingelstreich gespielt, so ist das.
Zu diesen traditionellen Terminen gesellen sich natürlich all die Festivitäten und Veranstaltungen, die das Jahr über von der Kurverwaltung organisiert und betreut werden, das Stab-Hochsprung-Turnier, das Weinfest auf dem Kurplatz, die Hallenfete an der weißen Düne, das Piratenfest am Hafen, der kleine Jahrmarkt auf der Bürgermeisterwiese (an der Meierei), der jährliche Besuch des WDR4-Schlagerexpress, das White-Sands-Festival (ein Beachvolleyballturnier) und der Windsurfcup, die Konzerte der Warschauer Symphoniker, wechselnde Auftritte von bekannten Kabarettisten, Sängern, Theater und Kleinkünstlern, Orgelkonzerte und Kästekantorei, Bernsteinschleifen und Museumsführung - da hat man es wirklich schwer, sich für etwas zu entscheiden.
Eines schätze ich an Norderney besonders: Man kann wenn man will. Insbesondere bei Schietwetter. Und wenn man nicht will, dann eben nicht. Je weiter man gen Osten wandert, desto weniger ist dort los. Abends am Wasser zu stehen und den Sonnenuntergang zu beobachten wie er schöner in der Karibik nicht sein kann - das ist es! Drum kommt zum Schluß noch mal Hinnerk aus Düsseldorf zu Wort, der schon 1844 so treffend schrieb: