L wie Leuchtturm
Wozu brauchen die Norderneyer einen Leuchtturm?
Na, ist doch klar: Am Ostende konnten die sich keine Straßenbeleuchtung mehr leisten...
Wir lieben unsere Nachbarn, ehrlich, auch wenn sie solchen Spott vornehmlich in Anwesenheit einiger Norderneyer ausschütten. Dabei spricht aus Juistern und Baltrumern wohl nur der Neid, dass sie keine so schöne "Straßenbeleuchtung" ihr eigen nennen wie wir sie haben, nicht wahr? Da leuchten wir ihnen gerne heim, insbesondere auf Baltrum, in dessen Häuser unser Leuchtturm direkt hinein scheint, da können sich unsere Nachbarn die Stubenbeleuchtung sparen...
Alle 12 Sekunden blitzt es dreimal weiß, so sagt die Seekarte und so dreht sich die Fresnellsche-Linse, die nach dem gewonnenen deutsch-französischen Krieg 1870/71 als Reparationsleistung abgeliefert und installiert werden musste. Übrigens ist es das einzige Leuchtfeuer an der deutschen Küste, das sich gegen den Uhrzeigersinn dreht, vermutlich eine kleine Bosheit der Franzosen, sie sei ihnen verziehen.
Heutzutage fahren die Schiffe mit soviel Technik herum, dass man eigentlich das Leuchtfeuer kaum noch braucht. Insbesondere die satelliten-gestützte Navigation GPS macht das Fahren auf den Weltmeeren zum Computerspiel: man nennt nur noch das Ziel, der Rechner steuert dann anhand gespeicherter Routen ganz von selbst. Vielleicht werden wir in nicht allzu ferner Zukunft nicht nur Flugzeuge ohne Piloten, sondern auch Schiffe ohne Besatzung erleben, technisch gar kein Problem.
Die Technik hat auch in der Freizeitschifffahrt Verbreitung gefunden. Unlängst segelte ich eine kleine Yacht, in deren Steuerstand ein Kartenplotter integriert war. Der Rudergänger war allerdings mehr damit beschäftigt, den Cursor auf der Karte gen virtuellem Hafen zu manöverieren als Ausschau zu halten. So passieren Unfälle. Auch ist diese Technik nicht ganz fehlerfrei, denn auch sie muß über die neuesten Änderungen ständig informiert und das Kartenwerk berichtigt werden. Sonst kann es schon mal passieren, dass eine Tonne laut Karte rechts vom Schiff, in Wirklichkeit aber links davon vorbeischwimmt - bei einer Gefahrenstelle kann das den Unterschied zwischen weiterfahren und untergehen ausmachen. Vor Kroatien segelten wir laut GPS bereits im reichlich trockenen Landesinneren! Eine Portion Vorsicht, die Benutzung des gesunden Menschenverstandes und die Beherrschung des navigatorischen Handwerks ist also angeraten.
Der Unterhalt insbesondere der Leuchttonnen und Hafenfeuer ist teuer, und so ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung immer darauf aus, Kosten zu sparen. Neuerdings kommen Plastik- statt Metalltonnen zum Einsatz, da sie "unkaputtbar" und billiger sind. Immer wieder wird über die Abschaltung unseres Leuchtturms nachgedacht, denn er ist heutzutage nicht mehr wirklich erforderlich, um den insularen Hafen zu finden, aber wie zu hören ist wird sich die ganze Insel wohl dagegen stemmen, egal was es kostet. Es ist eine wirklich beeindruckende Szenerie, an einem lauen Sommerabend einmal unter dem Turm zu stehen und den Strahlenkranz langsam, fast geruhsam über den nächtlichen Himmel wandern zu sehen. (Übrigens: wieviele Strahlen hat unser Leuchtturm??)
Von See kommend werden die Schiffer aus Richtung Helgoland zunächst von einer weißbefeuerten Ansteuerungstonne namens Dovetief empfangen (je 2 Sekunden Licht und 2 Sekunden Finsternis), die in Höhe der Weißen Düne etwa 4km vor der Insel liegt. Anschließend werden sie mit roten Tonnen links und grünen rechts zwischen den Sandbänken hindurch geleitet, am Norderneyer Seegat fast parallel zum Nordstrand (das muß natürlich Backbord für links - das Herz schlägt links und macht back-back-back - und SteueRbord für rechts heißen). Die roten Tonnen tragen dabei gerade Zahlen und sind oben stumpf damit man sie auch bei diesigem Wetter gut erkennen kann, die grünen ungerade Zahlen und sind spitz. Wenn Sie mit der Frisia unterwegs sind achten Sie mal drauf. Die wichtigsten tragen ein gleichfarbiges Leuchtfeuer, das unterschiedlich codiert ist (Kennung), so dass es mit Hilfe eines Fernglases und einer aktuellen Seekarte leicht identifiziert werden kann. Im Winter werden sie gegen einfache unbeleuchtete Tonnen ausgetauscht, damit eventueller Eisgang die teuren Leuchtkörper, die neuerdings aus stromsparenden LEDs und Sonnenkollektoren bestehen, nicht beschädigen kann falls die Tonne unter das Eis gedrückt wird.
Grüne Tonnen mit roter Bauchbinde sind Fahrwasserteilungstonnen, d.h. dort geht ein Nebenfahrwasser ab. Vor der Milchbar liegt so eine und bezeichnet den Beginn des sogenannten Schluchter-Fahrwassers, das Richtung Juister Seeseite nach Nord-Westen geht. In Höhe der Alten Teestube finden wir die Fahrwasserteilungstonne, die die Gabelung zum Norderneyer Hafen bzw. zum Norddeicher Fahrwasser (Busetief) markiert - eigentlich sollen Fähren einmal drumherum fahren, denn nur dort ist es tief genug. Bei Niedrigwasser tun sie es auch alle, bei Hochwasser kommt dort die Dünung (der Wellengang) von See, also von der Seite und dann schaukelt es ein paar Minuten recht deutlich. Da kürzen die Fähren den Weg schon mal ein bisschen ab. Die Fahrgäste danken es den Besatzungen und behalten das Frühstück dort wo es hin gehört...
Schließlich finden wir auf dem Weg nach Norddeich zwei weitere abzweigende Fahrwasser, nämlich das zum Juister Hafen (Kalfamergat) und kurz vor der Norddeicher Einfahrt das parallel zum Festlandsufer laufende Fahrwasser gen Greetsiel im Westen, beide Abzweige sind vorschriftsmäßig mit grünen Leuchttonnen mit roter Bauchbinde gekennzeichnet. Der Verlauf der eher selten benutzten Wattenfahrwasser wird mit Birkenstämmchen im Frühjahr gekennzeichnet, das ist billiger. Die Norderneyer verfeuern im Herbst gern dieses begehrte Holz wenn sie frischen Fisch räuchern, noch warm ein Genuß!
Wenn Sie gelbschwarze Tonnen sehen, oft nachts mit einem weißen Blitzlicht markiert, dann machen Sie darum einen größeren Bogen soweit es die Wassertiefe zulässt, denn diese markieren Untiefen, meistens Wracks. Dazu können die Retter der DGzRS, der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, quasi dem roten Kreuz und dem THW zur See, eine Menge Geschichten erzählen wie es zu den Untergängen gekommen ist. Im Jahrbuch sind die skurrilsten und haarsträubendsten Unfälle des Jahres gesammelt, sie erhalten es gegen eine kleine Spende am Rettungskreuzer im Hafen und im Rettungsschuppen am Weststrand.
Zum Beispiel von dem Segler, der sein Schiffchen vom holländischen Ijsselmeer gen Ostsee überführen und das Geld für Seekarten der ostfriesischen Küste sparen wollte. Er war daher mit dem Autoatlas unterwegs. Beim Anlaufen auf Norderney geriet sein Schiff in die Brandungszone einer Sandbank, schlug leck und versank. Nunja, die 30€ hätte er besser angelegt. Die Retter konnten ihn mit Mühe gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser ziehen.
Vor der Insel liegt seit den 50er Jahren ein kleiner Autotransporter. Die lokalen Taucher schauen dort hin und wieder vorbei und begutachten den Zustand der VW-Käfer, die dort gemütlich dahinrotten.
Gier ist übrigens oft ein Grund, weswegen Schiffe verloren gehen, sei es dass der Kapitän eine gefährliche Abkürzung nehmen wollte, sei es dass die gesparte Fährüberfahrt bei schlechtem Wetter mit dem eigenen Schiff in der Katastrophe endet. Früher nahm man für die großen Lastensegler gerne Kapitäne, die nicht schwimmen konnten; die hatten ein ganz elementares Interesse, das ihnen anvertraute Schiff heile nach hause zu bringen.
Am Ostende liegt seit Dezember 1967 ein Haufen Metallschrott und gehört mittlerweile ebenso zur Insel wie Leuchtturm und Kap. Es handelt sich um das Wrack eines Muschelbaggers aus Bensersiel, dessen Kapitän einen dort festgekommenen Heringslogger freischaufeln wollte - leicht verdientes Geld, dachte er wohl. Im Sturm kam sein Schiff selbst fest, Kapitän und Maschinist, deren Lebensmittel zur Neige gegangen waren, mussten schließlich nach Beruhigung der Elemente zu Fuß Richtung Leuchtturm wandern, wo sie zunächst einmal verpflegt wurden. Den Heringslogger zogen starke Schlepper im März von der Sandbank, aber der Muschelbagger saß hoch und trocken auf dem Inselende. Bis heute. Nunja, was Gier aus ehrlichen Menschen machen kann...
Die großen Sandbänke haben übrigens historische Namen. So liegt vor Norddeich die Itzendorf-Plate, die nach dem 1720 dort untergegangenen Ort benannt ist. Die Insel Buise, die etwas westlich der heutigen Insel Norderney lag, zerbrach 1362 in zwei Teile, das Oosterende nannte man später Norder nye Oog, also die Norder neue Insel, der westliche Teil ging 1651 endgültig im Sturm unter. An die Insel erinnert das sogenannte Busetief. Das Spanier-Gatt erinnert an einen vor Juist gestrandeten Segler, der die Fahrrinne offenbar nicht genau getroffen hatte. Am östlichen Ende Norderneys liegt die Othello-Plate, auch diese trägt ihren Namen nach einem einst dort gescheiterten spanischen Segelschiff.
Apropos Wassertiefe: wenn man die Wattenfahrwasser befährt oder die Sandriffe vor den Nordküsten queren will, sollte man dringend die Seekarte zu rate ziehen und Gezeiten peinlich genau berechnen. Manch einer ist an einer unangenehmen Stelle schon festgekommen. Meist reicht es, ein paar Stunden auf das nächste Hochwasser zu warten, aber manchmal steht an der Sandkante auch so eine Brandung, dass es das Schiff buchstäblich zerschlägt, besonders bei viel Wind. Da ist also Vorsicht geboten. Notraketen, ein funktionierendes Funkgerät und mindestens ein Händi sollten an Bord sein, damit man gegebenenfalls die Retter alarmieren kann.
Im Hafen ist, so man an Land fest gemacht hat, zu bedenken, dass der Unterschied zwischen Niedrig- und Hochwasser in unserer Region etwa 2.50m beträgt; manch einer hat sein Schiffchen schon bei Hochwasser an die kurze Leine gelegt, so dass es 6 Stunden später quasi in der Luft hing, solange die Leinen hielten...
Auch für Landratten sind die Gezeiten wichtig. So sollte man bei Niedrigwasser lieber eine Fähre früher nehmen, wenn man einen bestimmten Zuganschluß in Norddeich erwischen muß. Gerade bei anhaltendem steifen Ostwind läuft die Flut nicht voll auf, so dass den Fähren oft das notwendige Wasser unter dem Kiel fehlt. Insbesondere vor der Norddeicher Hafeneinfahrt und kurz vor der Kehre zur Insel sitzen sie da mangels ausreichender Wassertiefe oft auf, manchmal durchaus stundenlang (wir freuten uns als Fahrschüler immer, denn so fiel alle 2 Wochen die erste Schulstunde aus). Aber keine Angst, man sitzt im Warmen und wird von den Mitarbeitern der Fährrestauration umsorgt.
Auch sollte man niemals außerhalb der bewachten Badestrände ins Wasser gehen, auch nicht nur bis zum Bauchnabel, denn die riesige Fläche des Wattenmeeres zwischen den Inseln wird alle 6 Stunden ent- und danach wieder bewässert. Das Wasser entwickelt dabei eine so heftige Strömung zwischen den Inseln, dass es unmittelbar vor den Buhnenköpfen am Weststrand eine bis zu 13 Meter (!) tiefe Rinne gegraben hat. Hier, an der Nordküste und immer wieder am Inselende, wo man schon die Blumentöpfe in den Fenstern der Baltrumer zählen kann, steigen Leute ins Wasser und unterschätzen die Unterströmung. Manche werden Stunden später nicht weit entfernt wieder an den Strand gespült. Der Notarzt kann dann nicht mehr helfen. Wie kann man den Leuten klar machen, dass die Anwesenheit der Rettungsschwimmer an den Badestränden einen lebensrettenden Sinn hat?
Also, tun Sie's nicht, auch wenn das Wasser lockt. Seien Sie bitte Vorbild was Umweltschutz und Sicherheit anbelangt und denken Sie bitte immer daran: man hat nur ein Leben, und damit wollen wir doch möglichst häufig die Natur und die Schönheit dieser Insel erleben, oder?